Abgasskandal mit manipulierten LKW: Camion Pro wirft Bundesamt für Güterverkehr Strafvereitelung im Amt vor.

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Jahrelang behauptete das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM), die Abgasmanipulationen von zumeist osteuropäischen LKW würden nur zwei Prozent aller LKW betreffen. Der Berufsverband Camion e.V. deckt nun auf, dass diese Zahlen offenbar seit Jahren vorsätzlich manipuliert wurden.

Aussagen von Mitarbeitern und behördeneigene Statistiken belegen, dass bei Kontrollen zehn mal so viele LKW mit sogenannten Emulatoren erwischt wurden, wie vom Bundesamt offiziell dargestellt.

 

2016 enthüllte der Berufsverband Camion Pro e.V. einen der vermutlich größten Umweltvergehen der Automobilgeschichte. Bei Undercover-Recherchen in Rumänien wurden Andreas Mossyrsch von Camion Pro e.V Indizien bekannt, dass offenbar ein Großteil der osteuropäischen Transportunternehmen ihre LKW-Abgasanlagen mit Hilfe von sogenannten Emulatoren (AdBlue-Killern) manipulieren. Diese Lastwagen sind auch auf deutschen Autobahnen im großen Stil unterwegs und der Umweltschaden, der dabei verursacht wird, ist gravierend. Ziel der Manipulationen ist, AdBlue und teure Reparaturen an der Abgasreinigungsanlage des Fahrzeugs einzusparen.

Nach mehreren Fernsehbeiträgen des ZDF und des Bayerischen Fernsehen im Jahr 2017 sah sich das damalige Bundesamt für Güterverkehr (BAG, heute Bundesamt für Logistik und Mobilität, BALM) als zuständige Behörde gezwungen, Stellung zu beziehen. Damals stellte die Behörde die Recherchen des Berufsverbands und des ZDF sowie die Messungen der Universität Heidelberg infrage. Laut der Behörde seien die Darstellungen weit überzogen. Manipulationen lägen bei nur rund zwei Prozent aller LKW vor. Als Beweis wurden die Ergebnisse der durchgeführten Kontrollen des BAG angeführt. Von diesen Zahlen rückt das Bundesamt bis heute offiziell nicht ab.

Camion Pro e.V. sowie Dr. Denis Pöhler vom Institut für Umweltphysik an der Universität Heidelberg hatten jedoch schon früh davor gewarnt, dass das Bundesamt mit seiner Ausstattung nicht in der Lage sei, die teilweise hochkomplexen Manipulationen an der LKW-Elektronik überhaupt festzustellen. Diese betrifft vor allem Fahrzeuge der neusten Euro-6-Baureihe. Außerdem gab es auffällige Widersprüche bei der Erfassung der Kontrollergebnisse der Behörde sowie Aussagen von Mitarbeitern des BAG, die nahelegten, dass die durch das BAG festgestellten Verstöße in Wirklichkeit wesentlich höher waren als die veröffentlichen Zahlen.

Andreas Mossyrsch, Vorstand vom Berufsverband Camion Pro e.V., der 2016 den Skandal aufgedeckt hatte, meint dazu: „Unterlagen und die Aussagen von Mitarbeiter der Behörde belegen, dass dem Bundesamt für Logistik und Mobilität die wahren Ausmaße der AdBlue-Manipulationen schon früh bekannt waren.“

Messungen der Deutschen Umwelthilfe und der Universität Heidelberg belegen von 2016 bis 2021 Abgasverstöße zwischen 25 und 30%  bei osteuropäischen LKW.

Gestützt wurden die Recherchen des Berufsverbandes von Dr. Pöhler (Universität Heidelberg) der für das ZDF, Camion Pro e.V und die Regierungen in Österreich, der Schweiz und Dänemark von 2016 bis 2021 Abgasmessungen an vielen hundert LKW durchführte. Die Ergebnisse unterscheiden sich in den einzelnen Ländern zwar, bestätigen insgesamt aber eine gravierendes Abgasproblem bei osteuropäischen LKW. Die Deutsche Umwelthilfe stellte bei ihren Messungen 2021 in Deutschland sogar eine Zunahme der Verstöße fest.

Polizeikontrollen in anderen europäischen Ländern bestätigen Abgasskandal

Dass im großen Stil Abgasmanipulationen in der Realität nachweisbar sind, zeigen auch die Ermittlungsergebnisse und Methoden von Behörden in anderen europäischen Ländern. So setzen beispielsweise die Kontrollbehörden in Belgien und Dänemark jene Messgeräte ein, die auch von der Deutschen Umwelthilfe eingesetzt werden und die auf der von der Universität Heidelberg entwickelten Technik beruhen. In diesen Ländern ist die Abgasmessung ein fester Bestandteil der LKW-Kontrollen und die Polizei konnte bei fast allen Einsätzen erhebliche Verstöße feststellen.

So trickste das Bundesamt für Güterverkehr die Öffentlichkeit und Politik aus

Erstaunlich früh legte sich die das damalige BAG zu dem Abgabebetrug fest. Schon kurz nach der Veröffentlichung erklärte die Behörde, die Recherchen des ZDF und Camion Pro, wonach rund 25 Prozent der osteuropäischen Lastwagen Manipulationen aufweisen könnten, seien „Horrorzahlen“. Als Gegenargument führte das BAG die Ergebnisse eigener Kontrollen an. Noch im Oktober 2017 beantwortete das Bundesamt eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag mit dem Hinweis, dass bei Polizeikontrollen kaum Emulatoren gefunden würden und die veröffentlichten Zahlen aus der Studie der Uni Heidelberg nicht bestätigt werden könnten. Auch bei zwei Expertenanhörungen im Bundestag, an denen der damalige Präsident des Bundesamts, Andreas Marquardt, persönlich teilnahm, wurde diese Darstellungen bestätigt. Camion-Pro-Vorstand Mossyrsch geht deshalb davon aus, dass die deutsche Bundesregierung aufgrund der Aussagen des BAG das Ausmaß der kriminellen LKW-Manipulationen bis heute vollkommen falsch einschätzt.

BAG-Mitarbeiter berichten von 20 Prozent Trefferquote

Im Juli 2018 bestätigte ein hochrangiger Mitarbeiter der BAG-Außenstelle München, der selbst regelmäßig AdBlue-Kontrollen durchführt, gegenüber Andreas Mossyrsch, dass er bei gezielter Suche bei etwa 20 Prozent der osteuropäischen LKW-Emulatoren gefunden habe. Hingegen sei die Anzahl dieser speziellen AdBlue-Kontrollen äußerst gering, da die Behörde über zu wenig Spezialisten auf diesem Gebiet verfüge. Der Kontrollspezialist räumte auch unumwunden ein, dass kaum Emulatoren bei Euro-6-LKW gefunden werden und man daher die Suche auf LKW der Schadstoffklasse 5 konzentriere. Die Pressestelle der BAG erklärte auf Anfrage von Camion Pro e.V. lakonisch, die Stellungnahme des Mitarbeiters entspreche nicht den Erkenntnissen der Behörde.

Das BAG trickst mit Kontrollzahlen und hält Informationen zurück

Eine Presseanfrage von Camion Pro an das BAG nach der Kontrolldichte blieb allerdings ohne qualifizierte Beantwortung. Erst nach Monaten und nach anwaltlicher Androhung einer Auskunftsklage, gab das BAG räumte die Behörde in einer schriftlichen Stellungnahme an den Camion-Pro-Anwalt ein, bei weniger als 10 Prozent der Kontrollen überhaut nach Emulatoren zu suchen. „Bei korrekter Auslegung der Erfolgsquote finden die Kontrolleure also nicht bei zwei Prozent, sondern bei 20 Prozent aller kontrollierten Lkw Abgasmanipulationen“, rechnet Andreas Mossyrsch vor. „Das deckt sich exakt mit den Angaben des BAG-Mitarbeiters und kommt den Ergebnissen der Abgasmessungen der Wissenschaft ziemlich nahe.“

Strafvereitelung im Amt?

Aus Sicht von Verbandsvorstand Mossyrsch lassen die zögerliche Offenlegung von Fakten und die geringe Zahl der Kontrollen mit Emulator-Suche Zweifel an der Arbeitsweise und Glaubwürdigkeit des heutigen Bundesamtes für Logistik und Mobilität aufkommen. „Das BALM als zuständige Behörde bleibt seit Jahren in der Sache nicht nur faktisch tatenlos, sondern täuscht aktiv die Öffentlichkeit, Politik und Medien mit eindeutig falschen und irreführenden Angaben“, sagt Andreas Mossyrsch. Für ihn steht fest, dass die Behörde über Jahre eine qualifizierte Strafverfolgung behinderte und somit ermöglichte, dass Emissionen von inzwischen hunderttausenden Tonnen Stickoxide in Deutschland illegal in die Umwelt gelangten. „Damit bewegt sich die Bundesbehörde zumindest am Rande des Tatbestands der Strafvereitelung im Amt, nach § 258a StGB“, so Andreas Mossyrsch.

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